Kaum eine Zeit war wohl rückblickend spannender als die letzten Tage der Weimarer Republik. Jene Zeit, die die Weichen für das wohl größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte stellten. Im Zentrum die Protagonisten Adolf Hitler und Joseph Goebbels von den Nationalsozialisten, Reichskanzler Franz von Papen, General Kurt von Schleicher und Reichspräsident Paul von Hindenburg. Alles Personen von denen man auch abseits des schulischen Geschichtsunterrichts schon einmal gehört haben sollte. Wie diese in einem skrupellosen Kampf um die Macht über das Schicksal der Deutschen entschieden haben, darüber will das Buch „Die Totengräber: Der letzte Winter der Weimarer Republik“ berichten. Nachfolgend möchte ich dieses näher vorstellen.
Geschichte lebendig zu erzählen ist eine Kunst für sich. Um es kurz zu machen, „Die Totengräber: Der letzte Winter der Weimarer Republik“ gelingt dies, wie kaum ein anderes Geschichtsbuch. Natürlich kommt den beiden Autoren Rüdiger Barth und Hauke Friederichs die gewählte Zeitspanne sehr entgegen. Machtspiele gab und gibt es in der Menschheitsgeschichte immer wieder, selten war die Auswirkung aber dermaßen katastrophal. Gerade unter dem Wissen, dass die Entscheidungen, die in dieser doch vergleichsweisen kurzen Zeitspanne zu der Ermordung von Millionen von Juden und dem 2. Weltkrieg geführt haben, machen den Stoff so spannend. Man möchte wissen, warum und wie es so kam, wie es kam.
Dafür entführen die Autoren den Leser in das Berlin der früheren 1930er Jahre. Durch die detaillierten Erzählungen wird man geradezu in den Strudel der Ereignisse jener Zeit hineingerissen. Unter anderem auch deshalb, weil die beiden Historiker in ihrem Buch Tag für Tag die Geschehnisse schildern. Angefangen am Donnerstag, den 17. November 1932, an dem Reichskanzler Franz von Papen den Rücktritt der Regierung anbot, bis zum Montag, dem 30. Januar 1933, an dem Adolf Hitler Reichskanzler wurde.
Insgesamt ist das Buch in fünf größere Kapitel unterteilt:
- Der Sturz – 17. November bis 1. Dezember 1932
- Der Plan – 2. Bis 15. Dezember 1932
- Stille Nacht – 16. Dezember 1932 bis Januar 1933
- Im Strudel – 2. Bis 29. Januar 1933
- An die Macht – 30. Januar 1933
Unterteilt werden die Kapitel in die einzelnen Tagen. Bevor die Geschehnisse des jeweiligen Tages geschildert werden, stimmen ein bis drei Schlagzeilen unterschiedlicher Zeitungen zum jeweiligen Tag schon einmal darauf ein. Anschließend folgt eine Zusammenfassung der Geschehnisse aus der Perspektive verschiedener Protagonisten. Das sind unter anderem natürlich die schon geschilderten „großen fünf Totengräber“ Paul von Hindenburg, Kurt von Schleicher, Franz von Papen, Adolf Hitler und Joseph Goebbels, aber auch unbekanntere Zeitzeugen, wie beispielsweise die deutsche Journalistin Bella Fromm oder der Amerikaner Abraham Plotkin.
Rüdiger Barth und Hauke Friedrichs bringen nicht nur die reinen Fakten auf Papier, sondern erzählen diese so lebendig, dass man sich selbst in die damalige Zeit hineinfühlen kann. Nachfolgend beispielsweise ein Absatz, gleich aus dem ersten Tag, an dem Papen die Demission anbietet:
„Die Kabinettssitzung, in der es für Regierungschef Franz von Papen um seine Karriere geht und in der General Kurt von Schleicher aus den Schatten treten wird, findet, soweit wir wissen, im Gartensaal der Reichskanzlei statt. In den hellen Monaten ist dies dank der bodentiefen Fenster, die nach Westen zeigen, ein lichtdurchfluteter Raum. Ein sonniger, frischer Herbsttag ist angebrochen. An den Eichen, Ulmen und Linden hängt leuchtend das Laub, es sind Bäume darunter, die wohl schon hoch gewachsen waren, als Friedrich der Große hier spazieren ging.“
Hier wird Geschichte lebendig, die sich wie ein Krimi liest. Kritisch könnte man hier anmerken, dass aufgrund dieser lebendigen Schilderung der Geschehnisse eine Einordnung und Bewertung der handelnden Personen zu kurz kommt. Dafür gibt es meiner Meinung allerdings schon genügend andere historische Bücher, sodass „Die Totengräber“ sich von diesen abgrenzt.
Wer sich selbst einen Eindruck vom Buch machen möchte, der findet eine Leseprobe auf der Website des Fischerverlags. Das Buch kann bei der Buchhandlung um die Ecke erworben werden oder natürlich auch online, wie beispielsweise bei Amazon.de. Bei letzterem ist das Buch als Kindle Edition für 19,99 Euro und als gebundene Ausgabe für 24,00 Euro erhältlich.